Hoch gelobt, nun habe ich es auch endlich gelesen und bin immer noch ganz geflasht. Delphine de Vigan versteht es definitiv, den Leser zu verwirren und ratlos zurück zulassen. Dafür hat es aber sehr viel Spaß gemacht, das Buch zu lesen und die Schreibweise ist ein Genuss.
Delphine de Vigan erzählt eine – angeblich wahre – Geschichte aus ihrer Sicht als Rückblende. Der Leser erfährt von ihrer Begegnung mit L. Sie trifft L. (die nie einen vollen Namen bekommt) auf einer Party und freundet sich mit ihr an. Sie wird mehr und mehr Teil ihres Lebens und ähnelt ihr auch immer mehr. L. drängt sich in das Leben der Schriftstellerin und bedrängt sie, keine fiktiven Romane mehr zu schreiben, sondern nur Autobiographisches. Der Leser würde nur danach fragen und Fiktion verabscheuen. Delphine fühlt sich immer unsicherer und die Schreibblockade, die anfangs noch harmlos war, steigert sich ins Unermessliche. Sogar einfache Notizen sind ihr nicht mehr möglich. Sie vermeidet öffentliche Termine, sagt alles ab und wo es gar nicht geht, übernimmt L. ihre Rolle. L. blüht darin auf und man bekommt das Gefühl, dass hier eine Geschichte über einen Identitätsdiebstahl erzählt werden soll. Und doch kehrt sich auf einmal wieder alles um – und man fragt sich: was habe ich da gerade gelesen? Ist es wahr? Wo fängt Fiktion an, wo die autobiographische Wahrheit? Wie kann ich als Leser sicher sein, dass eine Autobiographie wahr ist?
Delphine de Vigan bringt es mit ihrer Geschichte auf den Punkt: man kann dem Autor eigentlich nie glauben. Es kann immer Fiktion sein. Sie spielt mit uns als Leser, verwirrt uns und unterhält dabei großartig! Ein bildreicher, manches mal mit etwas zu ausführlicher Erzählweise ist der Roman absolut lesenswert. Er bringt einem zum Grübeln und Nachdenken über Literatur und packt einen mit seiner Düsterheit. Nichts für das Urlaubsgepäck, der guten Laune oder zum nebenher Lesen – dieses Buch benötigt etwas Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen. Es lohnt sich aber meiner Meinung nach sehr, sich auf das Verwirrspiel von Delphin de Vigan einzulassen.