Jodi Picoults Roman „Bis ans Ende der Geschichte“ ist nichts für schnelle, laue Unterhaltung. Dafür hat dieser Roman zu viel Tiefgang. Er beschäftigt den Leser auch über das Lesen hinaus und läßt einen nur schwer los.
Im Mittelpunkt steht Sage Singer, welche eine leidenschaftliche Bäckerin ist und nur nachts arbeitet. Sie lernt in der Bäckerei den pensionierten und im Ort sehr geschätzten Josef Weber kennen. Mit ihm freundet sie sich an bis er sie eines Tages bittet, ihm beim Sterben zu helfen, weil er ein Geheimnis hat. Schnell wird schon am Anfang klar, zu welcher Art Geheimnis es gehen wird und worin der Gewissenskonflikt bestehen wird. Sage ist jüdischer Abstammung und Josef Weber heißt in Wahrheit anders und war SS-Offizier in Auschwitz. Er bittet Sage stellvertretend für die von ihn getöteten Juden um Vergebung.
Mit vielen verschiedenen Erzählebenen und aus unterschiedlichen Sichtweisen wird hier von Jodi Picoult ein heikles Thema intelligent und mit viel Tiefgang beschrieben. Neben der eigentlichen Frage, ob Vergebung in dieser Form möglich ist, wird dem Leser auch das Leben von Sage und ihrer Familie nahe gebracht. Dabei werden Themen wie Ehebruch, Tod, Trauer, Unfall, Schuldgefühle, Freundschaft und letztlich auch Liebe in Einklang gebracht. Die Themen werden logisch miteinander verwoben und bauen aufeinander auf. Die Judenverfolgung wird anschaulich durch die Ich-Erzählung der Großmutter von Sage wiedergegeben. Parallel erzählt Josef seine Geschichte und wie er tun konnte, was er tat. Dem Leser wird dabei keine Vorverurteilung mitgegeben. Er kann selbst entscheiden, für welche Handlung er Verständnis aufbringen kann und welche nicht. Nicht nur einmal fragt man sich, wie man selbst in dieser Situation gehandelt hätte.
Jodi Picoult läßt ihre Hauptfigur Sage viel reflektieren über die Frage, ob Vergebung möglich ist und ob sie Josef beim Sterben helfen soll. Dies geschieht mit sehr vielen klugen und schönen Worten. Der Leser taucht ganz hinein in die Geschichte und kann dieser auch nach dem Lesen nicht entfliehen. Für mich ein ganz großes Lesehighlight – trotz oder eben wegen des schweren Themas.