In vielen Rezensionen, vielen Zeitschriften entdeckt man dieses Buch in den letzten Wochen immer wieder als hochgelobtes Werk. Wie das so ist, wird man dann ja auch neugierig und greift zu, obwohl es nicht unbedingt das bevorzugte Genre ist. Meine Erwartungshaltung beeinflußt soviel Lob im Vorfeld schon, so dass ich ganz gespannt an Mariana Leky ihren Roman „Was man von hier aus sehen kann“ heranging. Titel und Cover sind gut gewählt, so dass die Leselust geweckt war.
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Es spielt in einem kleinen Ort im Westerwald. Jeder kennt jeden. Da ist zunächst Oma Selma. Wenn Sie von einem Okapi träumt, stirbt am nächsten Tag jemand. Dementsprechend aufgeregt ist das Dorf, wenn es sich herumspricht, dass sie geträumt hat. Mit diesem Okapi-Traum beginnt das Buch und es geschieht das Unfassbare, ein völlig unerwarteter Tod. Dann gibt es den Optiker, der schon ewig in Selma verliebt ist, sich aber nicht traut, es ihr zu sagen. Weiterhin noch Enkelin Luise, die immer in diesem Dorf lebte und dann zur Ausbildung auch nur in die nahegelegene Stadt täglich fährt. Ihre Mutter, die den Eisdielenbesitzer als Liebhaber hat und Luises Vater, der zum Psychiater in der Stadt regelmäßig geht. Eines Tages kommt dann noch ein Mönch aus Japan ins Spiel…Alles klingt etwas verworren, ist es aber eigentlich nicht, denn viel mehr passiert nicht.
Das ganze Buch kreiselt nur um die paar Personen. Es gibt wenig Erzählstoff, es ist wie ein kurzer Einblick in eine kleine abgeschiedene Idylle. Handlungen und Geschehnisse lassen sich erahnen – das ein alter Mensch stirbt, überrascht nun mal einfach nicht. Luise zudem empfand ich als anstrengend in ihrer kleinen Welt. Sie hat eine Verspanntheit, setzt sich etwas in den Kopf und weicht keinen Millimeter davon ab. Sie sieht und kennt nur ihre kleine Welt und will gar nicht verstehen, dass es ihren Vater auf Weltreise gezogen hat und vor allem warum. Dabei hätte Luise genau das – einmal raus aus ihrer kleinen Dorfidylle – gut getan.
Die Personen sind alle samt eine kuriose Mischung und liebenswert. Die Grundstimmung im Buch ist warmherzig, unterstrichen durch die bildhafte Sprache der Autorin. Ich kann verstehen, dass viele dieses Buch lieben, denn es erzeugt ein gewisses Wohlgefühl, eine Geborgenheit. Mir persönlich war es aber zu wenig Story, zu wenig Handlung. Es gab nichts Überraschendes und leider auch Unglaubwürdiges. Bewegt hat mich vor allem der erste Teil des Buches, wo der Okapi-Traum im Mittelpunkt steht und die Spannung, wer sterben wird, das gesamte Dorf in Atem hält. Der Kloß im Hals, als klar war, wen es getroffen hat, war bei mir groß. Insgesamt ein gefühlvolles, außergewöhnliches Buch, das aber nicht so recht in Fahrt kommt. Die Handlung blieb für mich immer wieder auf der Strecke, eine Spannung zum Weiterlesen gab es so manches mal nicht. Ich bin nicht 100% warm mit diesem Roman geworden, für kalte Winterabende und Liebhaber skurriler Figuren aber sicher kein schlechtes Buch.