Heute ein etwas Genre, dass ich normalerweise nicht lese, aber umso überraschter war: ein viktorianischer Krimi – eine Mischung aus Historienroman und Kriminalroman – ist das Buch von Nathan Winters „Das Geheimnis der Madam Yin“.
Das ganze Geschichte spielt 1877 in London, wie man auch am Cover bereits bestens erkennen kann. Dieses stimmt ganz gut auf das Buch ein, denn es ist verdammt nebelig, regnerisch und dreckig während die Pinkerton Detektivin Celeste Summersteen gemeinsam mit Inspector Edwards von Scotland Yard sich auf Verbrecherjagd begibt. Die Stimmung wird im gesamten Buch aufrecht erhalten und vor allem die Beschreibungen des Londoner Alltags im 18. Jahrhundert machte für mich den besonderen Reiz des Buches aus.
Die Detektivin Celeste reist von ihrer Heimat Chicago als Begleitung der jungen Dorothea Ellingsford. Das Mädchen war nach einem Vorkommnis von ihrer Familie ins Exil zur Tante nach Amerika geschickt worden und soll nun wieder zurück ins Elternhaus. Allerdings wurde erst kurz zuvor eine Freundin von ihr ermordet. An dieser Stelle kommt Celeste ins Spiel: sie soll einerseits Dorothea beschützen, aber andererseits auch herausfinden, was geschehen ist. Die Ermittlungen sind nicht einfach, da Dorothea nicht das Geheimnis verrät, welches sie mit ihren Freundinnen teilte und nach und nach geschehen weitere Morde. Dorothea scheint immer mehr in Gefahr zu sein. Polizeilicher Ermittler ist Inspektor Edwards. Er schätzt es überhaupt nicht, wenn Amateure sich in Ermittlungen einmischen und noch dazu eine Frau. So ermitteln beide eher nebenher als gemeinsam. Sie fügen den Fall Stück für Stück jeder auf seine Weise und mit den eigenen Tricks zusammen. Am Ende jedoch können sie den Fall gemeinsam aufklären.
Mir hat die ganze Geschichte hinter den Morden – also das Motiv – sehr gut gefallen. Die Reise in das London von 1877 und die Abgründe hinter den Haustüren wird sehr ausführlich und lebendig beschrieben. Man kann sich gut vorstellen, dass solche Art Heimlichkeiten damals von statten gingen und die Mädchen aus gutbürgerlichen Hause auf den ein oder anderen Schwindler reinfielen, dies aber der Ehre wegen so gut es geht verschwiegen wird. Am Anfang liest der Roman sich etwas schwer, man kommt nicht sofort in die Geschichte rein, aber wenn man etwas dran bleibt, dann fängt einen die Story ein und man liest den Rest quasi in einem Zug durch. Die Sprache ist leicht verständlich. Ob historisch alles korrekt ist, kann und will ich gar nicht beurteilen. Für mich gab es ein schlüssiges Bild des kalten, regnerischen Londons ab und ich habe so manches Mal ebenso ein Frösteln verspürt wie Celeste. Die Spannung baut sich gemächlich auf und gipfelt in einem rasanten Finale. Der Verdacht, wer der Mörder sein könnte und warum, kam mir leider schon ab Mitte des Buches, aber trotzdem fand ich die finale Auflösung gut gemacht.
Ein schöner, nicht zu aktiongeladener oder blutrünstiger historischer Kriminalroman mit zwei sympathischen Hauptfiguren und einer faszinierenden, lebendigen Stimmung. Auf jeden Fall gut lesbar und eine interessante Verbindung von historischen Stoff mit Kriminalgeschichte.