Es ist kalt, verdammt kalt. Wenn man „Everland“ von Rebecca Hunt liest, wird einem definitiv kalt, denn es spielt in der Antarktis. Aber nicht nur der Ort des Geschehens lässt ein Frösteln, sondern auch die Geschehnisse dort. Hunt erzählt von zwei Expeditionen: eine 1913 mit drei Männern und eine 2012 mit einem Mann und zwei Frauen. Die Jubiläumsexpedition hat absichtlich wieder nur 3 Expeditionsmitglieder, um das Erlebnis möglichst real nachzuempfinden.
1913 entdeckt die Besatzung des britischen Schiffs Kismet eine Insel in der Antarktis und benennt diese Everland. Es werden drei Freiwillige ausgesucht, die diese Insel erforschen sollen. Schon die Auswahl der Teilnehmer erntet Kritik und Missgunst auf dem Schiff. Das Boot der drei kentert in einem plötzlich auftretenden Sturm und plötzlich müssen die drei Männer um ihr Überleben kämpfen. Dabei haben sie gänzlich unterschiedliche Charaktere und Voraussetzungen. Es entstehen Spannungen und letztlich steht die Frage im Raum, ob man jemanden opfern, darf um selbst zu überleben. Die Kismet selbst kann durch den Sturm lange Zeit nicht zurück zur Insel und so endet die Expedition tragisch. Nur ein Überlebender wird gefunden, kann aber nichts zum Verbleib der anderen sagen.
Hundert Jahre später möchten wieder 3 Forscher die Insel besuchen und Pinguine sowie Robben beobachten. Die Expedition startet natürlich mit ganz anderen technischen Voraussetzungen, gegen Naturgewalten kann aber auch diese manchmal nichts ausrichten. Hinzu kommt hier die Parallele, dass wieder 3 unterschiedliche Kandidaten mit verschiedenen Voraussetzungen und Fähigkeiten ausgewählt worden. Zunächst sind vor allem die Frauen verfeindet, aber das Gefüge ändert sich nach mehreren tragischen Ereignissen.
Die Geschichte fasziniert vor allem durch diesen unendlichen Überlebenskampf und -willen in der unwirklichen Gegend. Als Leser ist man mittendrin, friert mit, fiebert mit und ärgert sich mit über das Verhalten der unterschiedlichen Expeditionsteilnehmer. Interessant ist vor allem die unterschiedliche Interpretation und Sichtweise von Ereignissen. So hat ein Teilnehmer von 1913 schon auf einer anderen Expedition tragisches erlebt und die Geschichten darüber – das Seemannsgarn – ist immer wieder anders. Je nachdem, wer es erzählt. Ihm werden immer neue Grausamkeiten und schlechte Charakterzüge angedichtet – ob das wirklich so ist, erfährt der Leser Stück für Stück und gerade dies machte das Buch für mich ungeheuer spannend.
Eine Besonderheit ist der Schreibstil. Rebecca Hunt wechselt kapitelweise zwischen den beiden Expeditionen. Als Kapiteltitel ist immer der Monat und Jahr angegeben. Nun wird aber nicht der Reihe nach herunter erzählt, nein, sie wechselt innerhalb der Expedition an verschiedene Zeiten. Mal wird schon der Gerettete an Bord der Kismet beschrieben, dann wieder zurückgesprungen an die ersten Tage nach Ankunft auf Everland. Dies erfordert beim Lesen etwas Aufmerksamkeit, aber es fügt sich immer harmonisch und logisch zusammen. Ich war begeistert, endlich mal eine andere Herangehensweise zu lesen, als nur in der Reihenfolge herunter zu erzählen.
Ein psychologisches Drama, Abenteuerroman und ein bisschen Thriller – all das vereint dieses Buch und macht es für mich zu einer wunderbaren, spannenden Unterhaltung. Absolute Leseempfehlung!